Zeitungsausschnitt der BNN

  Einsamer   Kampf    abseits    der Matten

      Ringer aus der Region halten sich individuell fit – machen sich aber

      Sorgen um den Nachwuchs

      Auszug der BNN vom 16.12.20 von Heinz Forler

                                                                                                                                      

Das Programm ist gewöhnungsbedürftig. Auf dem Trainingsplan von Thomas Hunger stehen Übungen in den eigenen vier Wänden mit der Hantel oder Sololäufe durch Wald und Feld. Auf Durchdreher, Beinschrauben oder Hüftschwünge bereitet sich der 75-Kilo-Athlet des KSV Östringen in seinem Haus in Langenbrücken beim sogenannten „Schattenringen(( vor. Der 21-jährige Student bestreitet wie zahlreiche Leidensgenossen derzeit einen einsamen Kampf um Ausdauer und Tech nik.

,,Die Situation ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden((, weiß Dieter Hartlieb, der Vorsitzende der Kraftsportler in der Kraichgaustadt. Seine Kollegin Svetlana Gerlach vom KSV Kirrlach bemerkt: ,,Die Folgen der Corona-Pandemie sind für die Kontaktsportler besonders extrem.(( Die Trainingshallen sind geschlossen, die Matten bleiben verstaut, an Duelle Mann gegen Mann ist vorerst nicht einmal zu denken.

Die Östringer hat der Lockdown doppelt getroffen. Wie bei den anderen Clubs ruht auch beim KSV Deutsche Eiche das sportliche Geschehen; die Pandemie beschert dem Verein aber zudem Probleme bei der Planung der nächsten Saison, die vielleicht ab kommenden September möglich sein wird. Hunger und Co. haben im Dezember 2019 die Meisterschaft in der Verbandsliga gefeiert und sich auf eine Runde in diesem Jahr in der Oberliga vorbereitet. Der Aufstieg verzögert sich nur, doch das Personalpuzzle muss komplett neu zusammengefügt werden. ,,Die Athleten, die viel abtrainieren müssen, werden dann vielleicht in einer höheren Gewichtsklasse antreten((, fürchtet Hartlieb: ,,Und ältere Sportler denken in der aktuellen Situation möglicherweise daran, die Laufbahn zu beenden."

Maximilian Heneka vom ASV Germania Bruchsal sorgt sich in diesen Tagen wie die Verantwortlichen in Östringen und Kirrlach nicht nur um die Zukunft der Athleten in den Ligen des Nordbadischen Ringerverbands (NBRV). Auch die Entwicklung der Nachwuchskräfte bereitet den Vereinschefs einiges Kopfzerbrechen. ,,Das Niveau wird wegen der Zwangspause sinken. Unser gesamter Sport wird leiden", klagt die Kirrlacherin Gerlach. Im Waghäuseler Stadtteil legt man seit Jahren großen Wert auf die Jugendarbeit, die auch auf den Östringer und Bruchsaler Matten gepflegt wird. ,,Vor allem beim Nachwuchs stagniert wegen des monatelangen Trainingsverbots die sportliche Entwicklung", vermutet Hartlieb.

Die Zukunft ist ungewiss. ,,Es ist nicht absehbar, wann das Training wieder aufgenommen werden darf", erklären NERV-Präsident Ralph Jens Schmidt und Hardy Stüber, der Sportreferent des Verbands. Die Verantwortlichen in Nordbaden haben unlängst bei einer Telefonkonferenz beschlossen, die Bezirksmeisterschaften 2021 ersatzlos zu streichen. Die baden-württembergischen Titelkämpfe und die Landesmeisterschaften, die wie die Duelle auf Bezirksebene im Januar geplant waren, sollen nach Möglichkeit an späteren Wochenenden ausgetragen werden.

Während einige wenige Profis und Kaderathleten wie beispielsweise Luisa Niemesch vom SV Germania Weingarten momentan bei Weltcup-Veranstaltungen an den Start gehen dürfen, hat der Deutschen Ringerbund (DRB) Konsequenzen gezogen und die nationalen Meisterschaften fürs Erste verschoben. ,,Wir können im Augenblick noch nicht sagen, ob sie aufgrund möglicher Terminüberschneidungen überhaupt stattfinden können", teilt ORB-Generalsekretär Karl-Martin Dittmann mit:

„Uns fehlen dadurch bereits fest eingeplante Einnahmen in nicht unerheblicher Größe, die auch für unseren Verband lebensnotwendig sind. Auch gibt es erste Rückzieher von unseren Sponsoren."

In Bruchsal haben die Ringer aus der Not eine Tugend gemacht. In Zweier-Teams renovieren sie abwechselnd während der Zwangspause die Halle und bauen eine weitere Dusche ein. ,,Das wäre bei laufendem Trainingsbetrieb nicht möglich", sagt ASV-Vorsitzender Heneka. Für die Athleten hat er einen Trost parat: ,,Jetzt können alle die Adventszeit genießen und müssen nicht hungern, um die Gewichtslimits zu erreichen."

Der Östringer Hunger fiebert derweil schon jenen Tagen entgegen, in denen die Verbote gelockert werden. Mit Sprints und Belastungszeiten zwischen 35 Sekunden und zwei Minuten möchte der Freistilspezialist dann die fürs Ringen so wichtige Kurzzeitausdauer verbessern.

Die Corona-Folgen sind für Kontaktsport/er besonders extrem. So Svetlana Gerlach die Vorsitzende des KSV Kirrlach.